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„Es ist immer jemand da“

15. Mai 2023

Mieterin der Senioren-WG in Rathenow schaut fröhlich in die Kamera

Im November 2022 hat Charlotte Rosin Einsamkeit gegen Gesellschaft ge­tauscht, Wohnung gegen WG-Zimmer mit Anschluss. Der Umzug innerhalb Rathenows hat viele Ver­ände­rungen mit sich gebracht, wie sie erzählt.

Überall im Zimmer befinden sich Zettel und Stifte. Auf dem kleinen Tisch neben dem großen Kuschelsessel liegt stets ein Schreib­block bereit, dahinter stapeln sich Notizbüchlein und Papiere in einer Halterung. Vieles schreibt sich Charlotte Rosin auf. Sie bringe eben manches durch­einander oder würde es sonst vergessen, meint die 89-Jährige.

Auf dem Tisch liegen zahlreiche Zettel mit Notizen der 89-Jährigen.

Auf dem Tisch liegen zahlreiche Zettel mit Notizen der 89-jährigen Mieterin

Schmal, grazil, mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht und wachen Augen lehnt sie sich in ihrem bequemen Sessel zurück. Die Seniorin hat Demenz. Dagegen hilft ihr, sich Notizen zu machen. Auch das Gespräch heute hat sie vorbereitet. Manche Fragen verwirren sie und wir schwenken auf ein anderes Thema um, reden eher von ihrem neuen Zuhause als von alten Zeiten. Außer, sie fängt von alleine davon an.

Selbstbestimmt leben trotz Diagnose Demenz

Selbstbestimmt lebt die 89-Jährige Mieterin in der altersgerechten, komfortablen Wohn-Pflege-Gemeinschaft im Erdgeschoss der Puschkinstraße 6 inmitten von Rathenow, in der noch alles neu ist: Böden, Bäder, Küche, Wände. Früher war in dem Gebäude das Jobcenter untergebracht. Heute ist daraus ein modernes Senioren-Wohnquartier mit 18 hellen, barrierearmen, ver­schie­den großen Wohnungen und einer Wohn-Pflege-Gemeinschaft mit 11 Zimmern für Menschen mit und ohne Demenz geworden. Im Spät­sommer 2022 war der Umbau durch den Potsdamer Eigentümer und Investor Frank Wittfoth (Wittfoth Bau GmbH) ab­ge­schlossen.

Ende 2022 sei sie eingezogen, erzählt Charlotte Rosin, wobei ihr das Datum gerade nicht einfalle. Es lässt ihr keine Ruhe. Sie steht auf und trippelt zu ihren Termin­kalendern gegenüber auf der Kommode: „Ganz genau am 15. November 2022 war der Umzug.“ Sie freut sich, dass sie diese Notiz gefunden hat. „Meine Kinder haben mit mir entschieden, dass ich nicht mehr allein zuhause leben sollte.“ Sie käme, nur auf sich gestellt, nicht mehr gut klar. Eine Rundum-Unterstützung wäre besser. Die Seniorin, die Pflegegrad 2 hat, nickte zum Vorschlag der Kinder, obwohl sie sich in ihrer alten Wohnung wohl gefühlt hätte, wie sie wehmütig erzählt: „Zweieinhalb Räume hatte ich, mit Balkon. Den habe ich sehr gemocht.“ Nun wohnt sie ebenerdig und in Gemeinschaft, was für sie große Vorteile hat.

Aus ihrem Zimmer kann Charlotte Rosin direkt durch die Terrassentür ins Grüne treten. Draußen ist ein Vogelhäuschen aufgestellt. Griffbereit hat sie immer eine Tüte mit Futter stehen. Sobald ein kleiner Geselle angeflogen kommt, füttert die 89-Jährige ihn. Das erinnert sie an ihre alte Wohnung, wo sie das gleiche tat. „Direkt neben meinem Balkon war eine Vogelhecke.“

Direkt vor dem Zimmer von Charlotte Rosen steht ein Vogelhäuschen.

Direkt vor dem Zimmer von Charlotte Rosin steht ein Vogelhäuschen

Professionelle Unterstützung im Alltag mit Demenz

Weiter als bis vor die Terrassentür geht die ältere Dame allerdings nicht allein. Natürlich kennt sie sich in Rathenow gut aus, da sie seit vielen Jahren dort wohnt. Doch auf­grund ihrer Demenz könnte sie den Weg allein ins neue Zuhause auch mal nicht mehr wissen und hilflos umherirren. „Daher war es ihren Kindern wichtig, dass sie eine Einzel­betreuung hat, jemand regelmäßig ehren­amtlich mit ihr spazieren geht“, erklärt Carolin Heinrich vom Gemeinschaftswerk Soziale Dienste Nauen e. V., der enge Partner von LIONCARE. Die Koordinatorin für alltags­unter­stüt­zende Angebote hat stets, wie die Pflegekräfte auch, ein wachsames Auge auf die WG-Mieter*innen und koordiniert den Alltag mit.

Schon beim Einzug begleitet sie die Familien und pflegebedürftigen Mieter*innen und erstellt die Vita, in der sich Familiensituation, Vorlieben, Verhaltensweisen der Senior*innen wiederfinden. Sie weiß, dass sich Charlotte Rosin alles aufschreibt. „Weil es ihr hilft, den Tag zu strukturieren“, erklärt die Fachkoordinatorin.

Die Seniorin vergisst vielleicht manches, doch im nächsten Moment fällt ihr auch vieles wieder ein. „Meine Urheimat war Groß Behnitz. Durch die Eheschließung bin ich in Rathenow gelandet“, berichtet sie gerade. Ihr Mann ist verstorben, aber manchmal vergisst sie das. Mit ihm hat sie in der vorigen Wohnung gelebt. Sie vermisst sie immer wieder, gesteht sie. „Aber es ist besser jetzt. Rund um die Uhr ist jemand da.“

Sich wie zuhause fühlen dank der eigenen Möbel

Ihre Möbel hat sie natürlich mitgenommen und sich in ihrem Zimmer nach ihrem Geschmack ein­gerichtet. Couchtisch, Kleiderschrank, Sessel und Kommode zieren ihre eigenen vier Wände. „Ich bin froh, dass ich mein eigenes Bett und meine Matratze hier habe“, sagt sie selig, während sie von ihrem Lieblingssessel aus den Blick durchs Fenster schweifen lässt. Könnte ja sein, ein hungriges Vögelchen kommt angeflogen.

Oft ist die Seniorin aber auch bei den anderen Mieter*innen im Gemein­schafts­bereich an­zu­treffen, wo ihre mitgebrachte Couchgarnitur steht. Der große, einladende Wohnraum mit offener Küche ist der Dreh- und Angelpunkt der Wohn-Pflege-Gemein­schaft. „Wir spielen dort „Mensch-ärgere-dich-nicht“ und andere Spiele“, sagt Charlotte Rosin. „Es sind immer mehrere Leute da. Das hatte ich nicht, als ich noch allein in der Wohnung lebte.“

Ein abwechslungsreiches Angebot für die Mieter*innen

Donnerstags ist sie stets bei der Be­wegungs­gruppe in der WG dabei. Noch mobil und fit zu sein, ist ihr wichtig, genau wie sie auf ihr Äußeres Acht gibt. Unter Anleitung einer ehrenamtlichen Mitarbeitenden trainieren die Mieter*innen ihre Be­weg­lich­keit mit Bändern, Reifen oder großem Tuch und Softball. An den Gruppenangeboten der „Grünfinken“, die im Begegnungsraum der Gemein­schafts­werke direkt im Haus stattfinden, hat Frau Rosin ebenfalls ihre Freude. Carolin Heinrich vom Gemein­schafts­werk koordiniert die Angebote und bringt die Menschen zusammen: „Dort gibt es das Erzählcafé oder kreatives Miteinander.“

Senior*innen trainieren ihre Beweglichkeit mit Bändern, Reifen oder großem Tuch und Softball unter Anleitung ehrenamtlicher Mitarbeitenden.

Senior*innen trainieren ihre Beweglichkeit mit Bändern, Reifen oder großem Tuch und Softball unter Anleitung ehren­amt­licher Mitarbeitender

Die Abwechslung in der Wohn-Pflege-Gemeinschaft gefällt Charlotte Rosin gut, sie fühlt sich bestens auf­ge­hoben: „Die Pflegekräfte sind sehr nett. Wenn ich einen Wunsch habe, äußere ich ihn und er wird erfüllt.“ Egal ob es sich um Schwarzbrot oder Cornflakes zum Frühstück handelt oder Fisch in Tomatensoße zum Abendbrot.

Jeder packt mit an so gut es geht

Pflegekräfte von LIONCARE und die Präsenz­kraft, angestellt von der Auf­trag­geber­gemein­schaft, die die WG führt und aus Angehörigen besteht, geben den hilfebedürftigen Mieter*innen Sicherheit und Unter­stüt­zung. Jeder von ihnen selbst macht jedoch noch so viel, wie er bzw. sie kann. Das gehört zum Konzept einer ambulant begleiteten Wohn-Pflege-Gemeinschaft: Fähig­keiten sollen bewahrt oder wieder mehr mobilisiert werden. Charlotte Rosin hat Arthrose in den Fingern, erzählt sie: „Kartoffeln schnippeln kann ich nicht mehr. Stattdessen räume ich dann den Tisch mit ab. Im Alter muss man sich eingestehen, dass manches nicht mehr geht.“

Früher sei sie beispielsweise gerne tanzen gegangen. „Ab und zu bin ich in Rathenow noch im Tivoli.“ Dort dreht sie eine Runde und dann schaut sie den anderen zu. „Das ist toll, einfach raus aus dem Alltag.“ Ihre Familie besuche sie so oft wie möglich, erzählt sie. Vier Kinder habe sie. Ein Sohn sei verstorben. „Wenn meine Tochter kommt, laufen wir eine Runde. Oft gehen wir zum Bäcker und trinken Kaffee“, sagt die Seniorin und teilt dann erfreut mit: „Morgen mache ich auch was Schönes. Ich werde von meinen Lieben abgeholt und gehe ins Kultur­haus.“ Das alles sind weitere Licht­blicke in ihrem Leben neben der Ab­wechs­lung in der Wohn-Pflege-Gemeinschaft.

Statt im Heim selbstbestimmt im eigenen Zuhause

„Wenn man alt wird und alles beschwerlich ist, ist man hier in der WG gut aufgehoben. Es ist kein Heim, sondern das eigene Zuhause, in dem man als selbstbestimmter Mieter lebt. Und das ist ein großer Unter­schied“, erklärt Charlotte Rosin, die sich über weitere Senior*innen in der Wohn­gemein­schaft freut und ihnen gerne aus ihrem neuen Alltag erzählt. Sollte sie nicht weiterwissen, schaut sie einfach auf einem ihrer schlauen Zettel oder Notizen nach.

Charlotte Rosin ist glücklich in ihrem neuen Zuhause.

Charlotte Rosin ist glücklich in ihrem neuen Zuhause

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